Zur Geschichte der Meudter jüdischen Gemeinde
Wann genau die ersten Juden nach Meudt kamen, ist nicht bekannt. Frühe Hinweise auf Juden finden sich in den vom jeweiligen katholischen Pfarrer geführten beiden ältesten Meudter Kirchenbüchern. Darin sind für den 22.02.1694, 11.05.1705, 01.06.1710, 09.11.1721 und 02.10.1729 Taufen von zum katholischen Glauben übergetretenen Juden verzeichnet. Die Eintragungen lassen jedoch keinen eindeutigen Schluss darüber zu, ob und gegebenenfalls wie lange vor der Taufe die betreffenden Juden bereits in Meudt lebten.
Meudt wurde nach der Inbesitznahme durch Kurtrier als Cameralort verwaltet. Wegen des Status` Cameralort gehörten die Meudter Juden zu den sogenannten Cameraljuden im Gegensatz zu den allgemeinen Landschutzjuden, die es beispielsweise in Montabaur gab. 1716 ist Meudt als kurtrierischer Cameralort, in dem Juden leben, nachweisbar. In Listen über die zu zahlenden Abgaben sind ab 1757 Meudter Schutzjuden auch namentlich festgehalten. Für 1757 finden sich die Namen Jacob Veit, Moyses Jacob, Hisgen und Jacob Moyses, für 1759 Moyses, Jacob Moyses und Jacob Hiskie, für 1773 Jacob Moyses und für 1781 Hayum Isac, Moyses Jacob und Abraham Jacob.
Die Amtsbeschreibung des Amtes Montabaur von 1787 nennt für Meudt 4 Cameralschutzjudenfamilien, nämlich Jakob Moyses mit seinem Schwiegersohn Hayum Isaack, Moyses Jacob, Abraham Jacob und Hayum Jacob. Aus dieser Amtsbeschreibung geht auch hervor, dass die Meudter Juden keine Synagoge haben, sondern Schule im Haus von Jakob Moyses. Als Begräbnisplatz haben sie einen eigenen Ort vor dem Dorf. Gemeinschaftliche Schulden haben sie keine. Sie sind zur Zahlung verschiedener Abgaben wie Schutzbriefabgaben und Neujahrsgelder verpflichtet. Die in dieser Zeit für die Juden geltenden Rechte und Pflichten beruhten im Wesentlichen auf Regelungen in der kurtrierischen Judenordnung vom 10.05.1723.
Zu den 4 für 1787 genannten Familien kamen später 2 weitere hinzu, nämlich die des David Jakob, der seit 15.12.1792 Schutzjude war, und die des Alexander Löser, der seit 5.9.1801 Schutzjude war. Die Vermögensverhältnisse dieser 6 Familien lagen überwiegend im Bereich zwischen durchschnittlich und arm, lediglich eine Familie (Alexander Löser) wird als wohlhabend bezeichnet. An den eher ärmlichen Verhältnissen besonders der 4 erstgenannten Familien vermochte auch die territoriale Neugliederung nichts zu ändern, die dazu führte, dass nach der Auflösung des Kurstaates Trier 1803 Meudt 1806 unter nassauische Landeshoheit kam und ein eigenes Amt Meudt mit Amtssitz in Montabaur gebildet wurde.
Über die Lebensverhältnisse der Meudter Juden heißt es 1811 unter anderem, dass die Führung von Geburts- und Sterberegistern bisher nicht üblich ist. Die bisherige Art der Namensvergabe ist so, dass die Söhne immer den Vornamen des Vaters zum Zunamen erhalten. Die Wahl der Vornamen erfolgt willkürlich, nur dürfen Söhne nicht den Vornamen des Vaters oder Großvaters auch zu ihrem Vornamen erhalten, wenn der Vater oder Großvater noch lebt. Die Wahl der Vornamen für die Töchter erfolgt ebenfalls willkürlich, sie nehmen bei ihrer Heirat den Zunamen des Ehemanns an. Die Juden haben kein Bürgerrecht, sie benutzen den Gemeindebrunnen und das Backhaus mit und zahlen ein Entgelt, wenn sie ihr Rind- oder Geißenvieh auf die Gemeindeweide auftreiben. Sie zahlen Schutz- und Neujahrsgelder und werden zum Militärdienst herangezogen. Einen ständigen Vorsinger gibt es nicht, der für Meudt zuständige Rabbiner hat seinen Amtssitz in Koblenz.
Die Meudter Juden waren also auch zu Beginn der nassauischen Zeit keine gleichberechtigten Gemeindebürger. 1841 wurden die Juden des Herzogtums Nassau zur Annahme erblicher Familiennamen veranlasst. Seit dieser Zeit gab es in Meudt die Familiennamen Falkenstein, Heilberg, Lahrheim, Löwenstein und Stern.
Aus den ursprünglich nur wenigen Familien entwickelte sich im Laufe der Zeit eine verhältnismäßig große jüdische Gemeinde. Lebten 1843 47 Juden bei insgesamt 730 Einwohnern in Meudt, was einem Anteil von rund 6,4 % entspricht, so waren es 1905 105 Juden bei insgesamt etwa 800 Einwohnern, was einem Anteil von 13,1 % entspricht.
Die 1835 erstmals als solche erwähnte Synagoge befand sich auf dem heutigen Anwesen Kirchstraße 15. Sie brannte am 16.09.1879 ab. Danach wurde in der Dorfmitte die zweite Synagoge erbaut, für die als Einweihungsdatum der 5.8.1881 überliefert ist. Diese zweite Synagoge wurde am 10.11.1938 zerstört und an gleicher Stelle am 20.11.1988 zur Erinnerung an sie ein nach einem Entwurf von Stefan Aßmann gestalteter Gedenkstein eingeweiht. Ebenfalls am 10.11.1938 wurden die letzten 5 jüdischen Schulkinder aus der Meudter Schule entlassen.
Im ersten Weltkrieg fielen 4 Meudter Juden. Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal, das sich auf dem Anwesen Laufgarten 4 befindet. Ab 1933 wurde wie überall in Deutschland so auch in Meudt das Leben für die Juden immer schwerer. Einige wanderten aus oder flüchteten, darunter auch Ludwig Falkenstein, der später in Belgien verhaftet wurde und Auschwitz überlebte. Diejenigen, die in Meudt blieben, wurden 1942 deportiert und kamen in verschiedenen Konzentrationslagern um. Damit hatte die Meudter jüdische Gemeinde faktisch aufgehört zu bestehen.
Ludwig Falkenstein, der schon 1945 kurz nach Kriegsende Meudt wieder besuchte, war entscheidend mit dafür verantwortlich, dass am 18. Oktober 1964 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof ein Ehrenmal eingeweiht werden konnte, auf dem die Namen der 25 aus Meudt deportierten und umgekommenen Juden verzeichnet sind. Der Friedhof befindet sich an der Straße Laufgarten und hat eine Größe von etwa 1800 qm. Auf ihm befinden sich außer dem Ehrenmal 66 sichtbare Grabstätten. Ludwig Falkenstein wurde 1975 der 1. Ehrenbürger von Meudt.
An der nächsten Gedenkveranstaltung, die 1969 stattfand, nahm auch Rabbiner Leo Fischer teil, der von 1930 bis 1933 der letzte jüdische Religionslehrer in Meudt war. Seit 1969 finden regelmäßig, zumeist alle 3 Jahre am Volkstrauertag, Gedenkveranstaltungen auf dem jüdischen Friedhof statt, an denen im Laufe der Zeit bis heute Angehörige und Nachkommen aller Meudter jüdischen Familien teilgenommen haben, zuletzt am 18. Juni 2018 66 Personen.
Zusätzlich zu den Gedenkveranstaltungen gibt es seit etwa 2008 jeweils am Abend des 9. November zum Gedenken an die Reichspogromnacht und die Zerstörung der Meudter Synagoge eine ökumenische Andacht auf dem jüdischen Friedhof mit einem anschließenden Schweigemarsch der Teilnehmer in die Dorfmitte, wo die Zeremonie am Gedenkstein zur Erinnerung an die Synagoge endet.
Am 14. November 2021 wurden vor dem Haus Kirchstraße 29 für 4 Angehörige der Familie Löwenstein erstmals in Meudt Stolpersteine verlegt.
Am 14. Dezember 2023 wurde in Hachenburg das von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Limburg e.V. herausgegebene Buch „Jüdische Friedhöfe in den Kreisen Rhein-Lahn und Westerwald“ vorgestellt, das auch einen ausführlichen Beitrag über den Meudter jüdischen Friedhof enthält.
Am 20. April 2024 wurde Beate Dublon geborene Löwenstein, wohnhaft in der Nähe von Chicago, 104 Jahre alt. Sie hatte Meudt noch im Januar 2015 besucht und ist die letzte in Meudt geborene lebende Angehörige der Meudter jüdischen Gemeinde.
Nachdem 2021 wegen der Corona-Pandemie keine Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof stattfinden konnte, ist die nächste Gedenkveranstaltung für den Volkstrauertag 2024 geplant. Mit der Vorausschau hierauf ist die Gegenwart erreicht.
Meudt, den 25. Juni 2024
Stefan Aßmann